1932: Ein Gedicht, die Nazis, ein Abitur mit Hindernissen

20071027 Berlin Schliemannschule

Das Heinrich-Schliemann-Gymnasium in Berlin-Prenzlauer Berg. Foto: Michael Müller

Wäre es nach den Nationalsozialisten in seiner Heimatstadt Chemnitz gegangen, hätte Stefan Heym wohl nie ein Hochschulstudium beginnen können. Wer die Ehre deutscher Offiziere derart besudele, solle an keiner deutschen Schule das Abiturientenexamen mehr ablegen können, so lautete ihre öffentlich erhobene Forderung. Der Anlass: Stefan Heym hatte im Herbst 1931 – damals noch unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Flieg – in seinem Gedicht „Exportgeschäft“ die Entsendung von Ausbildern der Reichswehr nach China aufs Korn genommen. Ein von den Nazis entfachter und über Wochen hinweg angeheizter Skandal zwang den 18-Jährigen, Chemnitz ein halbes Jahr vor den Abschlussprüfungen zu verlassen. Der junge Heym ging zu Verwandten nach Berlin. An der Heinrich-Schliemann-Schule im Gleimviertel am Prenzlauer Berg durfte er seine Ausbildung fortsetzen. Vor 85 Jahren, im März 1932, legte er dort das Abitur ab – Prüfungsnote „gut“, Berufswunsch Journalist.

Dass das Gymnasium ihn aufgenommen hatte, schrieb Stefan Heym in erster Linie dem damaligen Rektor Paul Hildebrandt zu. Der liberale Pädagoge, bereits kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand stehend, hatte seine eigenen Erfahrungen in Auseinandersetzungen mit den erstarkenden Nationalsozialisten machen müssen und daher offenbar Verständnis für die schwierige Lage des jungen Mannes. Anders als das Chemnitzer Gymnasium behielt Stefan Heym die Schliemannschule in Berlin sehr positiv in Erinnerung. Es gab „keine Paukerei, keinen Formelkram, die Lehrer, offenbar ausgesuchte Leute, waren frei von Unsicherheit und gewillt, ihr Wissen zu teilen und ihre Fakten zur Debatte zu stellen“, schildert er in seiner Autobiografie „Nachruf“. Neben seiner Schulausbildung schrieb er in jenen Monaten weiterhin eine Vielzahl vor allem politischer und zeitkritischer Gedichte, auch erste journalistische Texte. Einige von ihnen wurden unter anderem in der „Weltbühne“ veröffentlicht.

Sein Studium (u. a. Philosophie, Volkswirtschaft, Zeitungslehre) beginnt Stefan Heym im April 1932 an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin. Nach seiner Flucht vor den Nazis aus Deutschland im Frühjahr 1933 ermöglicht ihm das Stipendium einer jüdischen Studentenverbindung, das Studium ab 1935 in den USA fortzusetzen. Knapp zwei Jahre später beendet er es mit einer Magisterarbeit über Heinrich Heines Versdichtung „Atta Troll“.

Lese-Tipp: Eine Auswahl von Gedichten Stefan Heyms aus den 1930er-Jahren bietet der Band „Ich aber ging über die Grenze“ (C. Bertelsmann, 2013. ISBN 978-3-570-10160-5).

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Literatur, Bildende Kunst und der junge Heym

Ich aber ging ueber die Grenze von Stefan HeymUnter dem Titel „Literatur trifft Bildende Kunst“ stellen Mitglieder der Internationalen Stefan-Heym-Gesellschaft und Künstler am 14. März in Stefan Heyms Geburtsstadt Chemnitz frühe Gedichte Heyms vor und erläutern deren Entstehung in biografischen Zusammenhängen. Sie beleuchten dabei unter anderem auch, mit welchen bildenden Künstlern Stefan Heym in jungen Jahren in Kontakt stand und wie deren Sicht auf die Welt seine Arbeiten beeinflusste.

Stefan Heym hatte seit seinem 17. Lebensjahr zahlreiche, vor allem zeitkritische und politische Gedichte verfasst. Erstaunlich viele wurden damals auch veröffentlicht; anfangs noch unter seinem Geburtsnamen Helmut Flieg, später oft unter Pseudonym. Eine repräsentative Auswahl in Buchform – illustriert mit Collagen von Horst Hussel – erschien unter dem Titel „Ich aber ging über die Grenze“ (Abbildung) erst anlässlich seines 100. Geburtstages im April 2013.

Die Veranstaltung in Kooperation mit der Galerie Borssenanger und der Volkshochschule Chemnitz ist Teil des Begleitprogramms zur Verleihung des Internationalen Stefan-Heym-Preises für Literatur und Publizistik. Mit ihm ehrt die Stadt Chemnitz Anfang April die polnische Autorin Joanna Bator. Das komplette Begleitprogramm finden Sie hier.

Termin: Dienstag, 14. März, 19 Uhr, Galerie Borssenanger, Straße der Nationen 2 (Johannisplatz), 09111 Chemnitz. Der Eintritt ist frei.

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Über Heinrich Heine: Stefan Heyms letzte Rede

Der Katalog zur Heine-Konferenz in Jerusalem, bei der Stefan Heym im Dezember 2001 seine letzte Rede hielt. Quelle: Verlag Hoffmann & Campe

Der Tagungsband zur Heine-Konferenz in Jerusalem, auf der Stefan Heym im Dezember 2001 seine letzte Rede hielt. Quelle: Verlag Hoffmann & Campe

Mit einer Veranstaltung zu Stefan Heyms letzter Rede, gehalten wenige Tage vor seinem Tod im Dezember 2001 in Israel, beginnt am 10. März das Begleitprogramm zur Verleihung des Internationalen Stefan-Heym-Preises 2017. Den mit 20.000 Euro dotierten Literaturpreis erhält in diesem Jahr die polnische Schriftstellerin Joanna Bator. Die feierliche Preisverleihung ist für Anfang April in Stefan Heyms Geburtsstadt Chemnitz vorgesehen.

Die Internationale Stefan-Heym-Gesellschaft hat in Zusammenarbeit mit einer Reihe von Partnern ein facettenreiches Begleitprogramm mit Lesungen, Programmen und Führungen vorbereitet. Den Auftakt gestalten die Violinistin Barbara Sadowski und der Filmkomponist Peter Gotthardt mit einem besonderen literarisch-musikalischen Abend zu Stefan Heyms Rede über Heinrich Heine, die er auf der internationalen Konferenz „Heinrich Heine in Jerusalem“ hielt.

Stefan Heym fühlte sich Heine ein Leben lang verbunden. Ob als Student im amerikanischen Exil, als anerkannter Schriftsteller in den 1950er-Jahren oder auch im hohen Alter noch – immer wieder setzte er sich mit Heine und seinen Schriften auseinander. „Ich hatte ihn immer geliebt“, sagte er einmal, „und wenn einer mir Vorbild gewesen war, dann er.“ Auch dies ein Grund, warum Heym – bereits hochbetagt – nur wenige Wochen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 die Reise nach Israel auf sich genommen hatte. Seine Rede auf der Konferenz in Jerusalem ist auf Tonband erhalten geblieben. Mehrere Auszüge werden am 10. März zu hören sein.

Termin: Freitag, 10. März, 19 Uhr, Kulturzentrum Tietz (Veranstaltungssaal), Moritzstraße 20, 09111 Chemnitz. Eintritt 7 Euro, ermäßigt 4 Euro. Das komplette Begleitprogramm finden Sie hier.

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Vor 40 Jahren: Heym und die Biermann-Ausbürgerung

Die Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR vor vierzig Jahren wurde zu einer der großen Zäsuren in der Geschichte der DDR. Nicht zuletzt, weil rasch eine Gruppe namhafter Schriftsteller die Initiative ergriff und in einem „Offenen Brief“ an die Staatsführung gemeinsam Protest artikulierte. Ihrer Erklärung schlossen sich weit über einhundert prominente Künstler und etliche Bürger aus dem gesamten Land an – ein bis dahin beispielloser, nahezu undenkbarer Vorgang.

Viele der damaligen Akteure haben später ihre Erinnerungen an den Spätherbst 1976 veröffentlicht. Zu den bekanntesten zählt der Band „Abgehauen“ des kürzlich verstorbenen Schauspielers Manfred Krug. Er enthält die Abschrift einer heimlich auf Tonband aufgezeichneten Aussprache das Politbüro-Mitglieds Werner Lamberz mit einigen Unterzeichnern des Protestes. Wolf Biermann selbst hat in seiner im Oktober erschienenen Autobiografie „Warte nicht auf bessre Zeiten“ noch einmal seine Sicht der Dinge dargelegt.

Stefan Heym veröffentlichte mit seinem Erinnerungsband „Der Winter unsers Missvergnügens“ 1996 eine tagebuchartige Aufzeichnung aus jenen Wochen, die Politisches und Persönliches gleichermaßen wiedergibt. Sie enthält zudem eine Reihe zeitgenössischer Notate der Staatssicherheit der DDR aus seiner umfangreichen Stasi-Akte (OV „Diversant“). Aus ihnen geht hervor, wie gut und wie frühzeitig das Ministerium über Heym und dessen Aufzeichnungen über die Ereignisse im Herbst 1976 Bescheid wusste. „Die Zeugnisse dieser Vergangenheit“, so schreibt Stefan Heym im Vorwort, „mögen den Heutigen helfen, die Zeit damals besser zu verstehen, aber auch die Courage zu erkennen, mit der einzelne DDR-Bürger es unternahmen, öffentlich zu vertreten, was sie für gut und richtig hielten.“

Lese-Tipp: „Der Winter unsers Missvergnügens“ (München: btb, 1998), 222 Seiten, ISBN: 978-3-442-72366-9.

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Vor 40 Jahren: Heym analysiert die „Aktuelle Kamera“

Die „Aktuelle Kamera“ war die Hauptnachrichtensendung des Fernsehens der DDR. Sie wurde jeden Abend um 19.30 Uhr ausgestrahlt. Foto: Screenshot

Die „Aktuelle Kamera“ war die Hauptnachrichtensendung des Fernsehens der DDR. Sie wurde jeden Abend um 19.30 Uhr ausgestrahlt. Foto: Screenshot

Seit seiner Übersiedelung aus den USA zu Beginn der 1950er-Jahre hat sich Stefan Heym immer wieder kritisch mit den Medien in der DDR auseinandergesetzt. Vor 40 Jahren, im Herbst 1976, unternahm er dazu ein besonderes Experiment: Einen Monat lang verzichtete er darauf,  Nachrichtensendungen der westdeutschen Fernsehprogramme einzuschalten. Stattdessen verfolgte Heym Abend für Abend die „Aktuelle Kamera“, die Hauptnachrichtensendung des DDR-Fernsehens. Die Ergebnisse dieses Selbstversuches legte er wenige Monate später in einem Beitrag für das in der Bundesrepublik erscheinende Wochenmagazin „Stern“ vor. Heym, der selbst lange Zeit journalistisch tätig gewesen war, analysiert darin auf durchaus unterhaltsame Weise Nachrichtenauswahl und -präsentation ebenso wie ständig wiederkehrende Filmschnittmuster und Sprachschablonen. Der mit „Leben mit der Aktuellen Kamera“ überschriebene Text wurde später unter dem Titel „Je voller der Mund, desto leerer die Sprüche“ auch in dem Sammelband „Wege und Umwege“ mit publizistischen Arbeiten Heyms aus mehreren Jahrzehnten veröffentlicht.

Lese-Tipp: Stefan Heym: „Wege und Umwege/Einmischung“ (München: btb, 1998; ISBN 978-3-442-72360-7).

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Geschäftsstelle nach Umgestaltung wieder offen

Der neu gestaltete „Kultur-Raum“, der auch als Geschäftsstelle der Internationalen Stefan-Heym-Gesellschaft dient. Foto: Stadt Chemnitz/Kulturbetrieb

Der neu gestaltete „Kultur-Raum“ im Kulturkaufhaus Tietz in Chemnitz, der auch als Geschäftsstelle der Internationalen Stefan-Heym-Gesellschaft dient. Foto: Stadt Chemnitz/Kulturbetrieb

Die Geschäftsstelle der Internationalen Stefan-Heym-Gesellschaft im Chemnitzer Kulturkaufhaus Tietz hat wieder geöffnet. Sie ist in einem neu gestalteten „Kultur.RAUM“ untergebracht, der als Treffpunkt für Kultur- und Bildungsakteure sowie als Informations- und Gesprächsort zu kulturellen Themen dienen soll. Regelmäßig treffen sich dort Vorstand und Programmbeirat, um über die inhaltliche Planung der Arbeit der Gesellschaft zu beraten. Zudem sind in der Geschäftsstelle Publikationen und Informationsmaterial erhältlich. Der Raum wird vom Bereich Kulturmanagement der Stadt Chemnitz betrieben und steht auch anderen örtlichen Projektgruppen und Arbeitskreisen zur Verfügung.

Das Gestaltungskonzept erstellte die Firma Atelier n.4, Barbara Graupner aus Flöha (Sachsen). Mit der Fertigstellung des „Kultur.RAUM“ ist der erste Abschnitt einer Gesamtstrategie zur Umgestaltung des Erdgeschossbereiches des Tietz realisiert. In dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebauten Warenhaus sind heute bedeutende Chemnitzer Kultureinrichtungen ansässig, so die Stadtbibliothek, das Naturkundemuseum, die Volkshochschule und die von einem Verein betriebene Neue Sächsische Galerie. Der Abschluss aller Arbeiten ist für das erste Quartal kommenden Jahres vorgesehen.

Bürozeiten der Geschäftsstelle: Jeweils Montag, Dienstag und Mittwoch von 9 bis 13 Uhr. Telefon: 0371 4884117, E-Mail: info [at] stefan-heym-gesellschaft.de

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Nachlese: 5. Stefan-Heym-Gespräch

Unternehmer Lars Fassmann (links) und Autor Volker Dittrich. Foto: Henry Kreul

Unternehmer Lars Fassmann (links) und Autor Volker Dittrich. Foto: Henry Kreul

Das Thema des 5. Stefan-Heym-Gesprächs, „Die Fabrikantenvilla Sachs in der Parkstraße“, hat für einen restlos gefüllten Veranstaltungssaal in der Villa Esche in Chemnitz gesorgt. Die beiden Protagonisten des Abends: Volker Dittrich, der Autor des Buches „Wem gehört das Haus in Chemnitz?“, welches den ursprünglichen Ausgangspunkt für diese Veranstaltung bildete, und der Chemnitzer Unternehmer und jetzige Inhaber der Villa Kohorn, Lars Fassmann. Der eine, Volker Dittrich, ergründet die Geschichte der Villa Sachs bei den Recherchen für sein Buch anhand der Geschichten von und über ihre wechselnden Bewohner, so unter anderem auch im Gespräch mit der letzten Tochter des jüdischen Erbauers, von außen. Hier spiegeln sich im Mikrokosmos Haus auch die Zeitenwenden eines ganzen Landes wieder. Einen ganz anderen Ansatz verfolgt sein Gesprächspartner Lars Fassmann. Er gründet nach dem Erwerb des Anwesens von der Jewish Claims Conference mit der Verlegung seines Firmensitzes in die Kohorn-Villa die Parkstraße faktisch von innen heraus neu als Sitz moderner Chemnitzer Unternehmer und bewahrt und erzählt durch den Erhalt des markanten Gebäudes gleichzeitig anschaulich Chemnitzer Erfolgsgeschichte im wirtschaftlichen wie technischen Bereich. Erinnern und zugleich nach vorn schauen – zwei scheinbare Kontrapunkte, die zumindest an diesem Abend bestens harmonierten. – Henry Kreul

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Joanna Bator erhält Stefan-Heym-Preis

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Foto: K. Lukas

Der Internationale Stefan-Heym-Preis der Stadt Chemnitz wird im kommenden Jahr an die polnische Schriftstellerin und Publizistin Joanna Bator (Foto) verliehen. Mit dem Preis würdige das Kuratorium die literarische Qualität von Bators Werk, sagte die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig. „Persönlich freue ich mich auf einen besonderen Austausch, denn die Fragen, mit denen sich Joanna Bator beschäftigt, berühren in ihrer Substanz die gesellschaftlichen Debatten, denen wir täglich begegnen.“ Dabei gehe es um die Deutung von Geschichte und Gegenwart, Brüche im Leben einzelner Personen und in ganzen Gesellschaften, um Identität, Zugehörigkeit und Ausgrenzung.

Joanna Bator, Jahrgang 1968, gilt als herausragende Stimme der zeitgenössischen europäischen Literatur. Mit ihren ebenso eigenwillig wie kunstvoll und feinsinnig erzählten Texten greift sie leise, aber entschieden aktuelle gesellschaftliche Fragen und Phänomene auf. Ihr jüngster Roman „Dunkel, fast Nacht“ zeigt, wie Hass eine Gesellschaft zerstören, wie schnell der Firnis menschlicher Moral reißen kann, wenn Menschen mit Veränderung konfrontiert sind. Für diesen Roman erhielt Joanna Bator 2013 den wichtigsten polnischen Literaturpreis „Nike“. In diesem Jahr stand die Autorin für das Werk auf der Shortlist des Internationalen Literaturpreises – Haus der Kulturen der Welt 2016. Zuvor veröffentlichte sie die Romane „Sandberg“ (2011) und „Wolkenfern“ (2013) sowie zahlreiche Essays und Artikel. Die promovierte Philosophin ist Autorin und Hochschuldozentin, lehrte unter anderem in Warschau, New York, London und Tokio. In Japan verbrachte sie vier Jahre. Ihr Zuhause ist in Polen.

Die Verleihung des mit 20.000 Euro dotierten Literaturpreises findet traditionell im April statt, im Umfeld des Geburtstages von Stefan Heym. Erstmals werden dann auch Stefan-Heym-Förderpreise verliehen. Insgesamt 20.000 Euro stehen für Projekte und Initiativen in Wissenschaft und Forschung, zur Nachlasspflege, für Stipendien oder zur Unterstützung von Projekten mit Schülerinnen und Schülern bzw. Studierenden zur Verfügung, die sich in besonderer Weise mit Leben und/oder Werk Stefan Heyms beschäftigen.

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Vor 85 Jahren: Ein junger Dichter in Berlin

Die von Leopold Schwarzschild zunächst in Berlin, später in München herausgegebene Zeitschrift „Das Tagebuch“ druckte 1932/33 mehrere Gedichte des jungen Stefan Heym. Bereits im Herbst 1931 hatte sie ihre Leser über die Umstände informiert, die ihn gezwungen hatten, seine Heimatstadt Chemnitz zu verlassen (Abb.).

Auch die von Leopold Schwarzschild zunächst in Berlin, später in München herausgegebene Zeitschrift „Das Tage-Buch“ druckte 1932/33 mehrere Gedichte des jungen Stefan Heym. Bereits im Oktober 1931 hatte sie ihre Leser über die Umstände informiert, die ihn gezwungen hatten, seine Heimatstadt Chemnitz zu verlassen (Abb.).

Es sollten turbulente Wochen werden für Stefan Heym im Herbst 1931. Dabei begann für den damals 18-jährigen Abiturienten aus der sächsischen Industriestadt Chemnitz, der seinerzeit noch Helmut Flieg hieß, alles so viel versprechend: In Berlin erscheint im September mit „Melancholie vom 5. Stock“ eines seiner frühen Gedichte in der Lyrik-Anthologie „Um uns die Stadt“, Seite an Seite mit Arbeiten so prominenter Dichter wie Johannes R. Becher, Bert Brecht, Max Hermann-Neiße, Walter Mehring, Erich Mühsam, Joachim Ringelnatz und Kurt Tucholsky. Auch die SPD-Tageszeitung „Volksstimme“ in seiner Heimatstadt veröffentlicht einmal mehr zwei seiner Gedichte. Eines trägt den Titel „Exportgeschäft“ und wird später Heyms berühmteste Arbeit aus seinen Jugendtagen sein. Der Grund: Weil die Verse in ihren Augen die Ehre deutscher Offiziere beschmutzen, fordern die Chemnitzer Nationalsozialisten in der örtlichen Presse und öffentlichen Versammlungen, den Schüler Helmut Flieg vom Gymnasium zu relegieren. Ein solcher „Lump“ gehöre „ausgschaltet“ aus der deutschen Volksgemeinschaft, heißt es. Auch Politiker anderer rechter Parteien versuchen, aus dem entfachten Skandal Kapital zu schlagen. Die Deutsche Volkspartei bringt sogar einen Antrag dazu im Sächsischen Landtag ein.

Als in der aufgeheizten Atmosphäre der Druck zu groß wird, melden die Eltern Helmut Flieg von der Schule ab. Er geht nach Berlin, wo er bei Verwandten unterkommt. Dort beginnt ab Oktober 1931 für ihn eine ungemein produktive Zeit. In den kommenden anderthalb Jahren, bis zu seiner Flucht vor den Nationalsozialisten im Frühjahr 1933, entstehen eine Vielzahl zumeist zeitkritischer und politischer Gedichte, aber auch erste journalistische Arbeiten, von denen dank rasch geknüpfter Kontakte in die Redaktionen von Zeitungen, Zeitschriften und Hörfunkprogrammen erstaunlich viele auch gedruckt werden. Bis zum Abitur, das er im Frühjahr 1932 an der Heinrich-Schliemann-Schule am Prenzlauer Berg ablegt, veröffentlicht Helmut Flieg angesichts der Chemnitzer Erfahrungen vorübergehend nur noch unter Pseudonym, erst später wieder unter seinem bürgerlichen Namen.

Lese-Tipp: Eine Reihe von Stefan Heyms Arbeiten aus den frühen 1930er-Jahren ist in dem von Inge Heym zusammengestellten Band „Stefan Heym. Frühe Gedichte“ (C. Bertelsmann, 2013) erstmals wieder veröffentlicht worden. Die Lyrik-Anthologie „Um uns die Stadt“ ist in der Reihe „Bauwelt Fundamente“ im Birkhäuser Verlag als Reprint erschienen.

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Neuerscheinung: „Der Jahrhundertzeuge“

cover-jahrhunderzeugeGeschichtsschreibung und Geschichtsentwürfe im Werk von Stefan Heym sind das Thema eines neuen Bandes, der im Verlag Königshausen & Neumann erschienen ist. Die seit Jahren umfangreichste Veröffentlichung im Bereich der Sekundärliteratur zu Stefan Heym dokumentiert mehr als ein Dutzend Beiträge einer wissenschaftlichen Konferenz, die unter dem Titel „Stefan Heym: Der Jahrhundertzeuge“ in dessen Geburtsstadt Chemnitz stattfand. Sie beschäftigen sich sowohl mit literaturwissenschaftlichen Erörterungen als auch mit neuen Erkenntnissen aus der Exil- und biografischen Forschung. Zu den Autoren zählen unter anderem Friedrich Schorlemmer, Wolfgang Emmerich, Dieter Schiller, Herbert Krämer und Burkhart Müller. Herausgegeben wurde das Buch von Dr. Ulrike Uhlig, Vorsitzende der Internationalen Stefan-Heym-Gesellschaft, und Bernadette Malinowski, Professorin für Neuere Deutsche und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Technischen Universität Chemnitz. Der Band kann über den Buchhandel bezogen werden.

Info: Bernadette Malinowski, Ulrike Uhlig (Hrsg.): „Der Jahrhundertzeuge. Geschichtsschreibung und Geschichtsentwürfe im Werk von Stefan Heym“, Würzburg: Königshausen & Neumann, 2016. ISBN: 978-3-8260-5873-8. 204 S., 36 Euro.

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