Zum Tod von Egon Bahr

Egon Bahr 1988 auf dem SPD-Bundesparteitag in Münster.

Egon Bahr 1988 auf dem SPD-Bundesparteitag in Münster.
Foto: Engelbert Reinecke, Quelle: Bundesarchiv (B 145 Bild F079280-0005).

Wohl kein führender Politiker der alten Bundesrepublik hat sich mit Stefan Heyms literarischem Schaffen auch öffentlich so intensiv auseinandergesetzt wie der Sozialdemokrat Egon Bahr, dessen zeitgenössischen Radiokommentar im Westberliner Sender Rias zu den Ereignissen des 17. Juni 1953 Stefan Heym in seinem Roman „5 Tage im Juni“ als Dokument auszugsweise eingebaut hat.

Spätestens seit Ende der 1970er-Jahre standen Egon Bahr und Stefan Heym in Kontakt. Es folgten gemeinsame Auftritte bei Podiumsdiskussionen zu Fragen der Zeit, der Zeitgeschichte und der Perspektiven für Deutschland. Bahr, der wie Heym nach dem Zweiten Weltkrieg als Journalist bei der von den Amerikanern in München und Berlin herausgegebenen „Neuen Zeitung“ tätig gewesen war, machte aus seiner Bewunderung für Heyms Biografie und Lebenswerk kein Hehl, auch wenn seine und Heyms politische Einschätzungen sich bisweilen deutlich unterschieden. Mit Blick auf den Aufstand vom Juni 1953 ebenso wie im Herbst 1989, als Stefan Heym für eine eigenständige sozialistische Entwicklung der DDR plädierte. Immerhin, so betonte Egon Bahr in seinem Vorwort zu Heyms 1990 erschienenen Publizistikband „Einmischung“, gehöre Stefan Heym zu den wenigen, die in den zurückliegenden Jahren an die Überwindung der deutschen Teilung geglaubt hätten.

„Den Heym zu lesen, macht Spaß; sogar noch, wo man mit dem Kopf wackelt“, bekannte Bahr im Oktober 1988 in einer Rede zur Vorstellung von Heyms Autobiografie „Nachruf“ in München. Vor allem imponierte ihm, dass der vor den Nationalsozialisten aus Deutschland geflohene Schriftsteller sich einst in den USA mit einem englischsprachigen Roman durchgesetzt hatte. In einem Beitrag für den Sammelband „Ich habe mich immer eingemischt“, der 2013 anlässlich von Stefan Heyms 100. Geburtstag herausgegeben wurde, schrieb Bahr, Heyms Werk habe den ihm gebührenden Platz noch nicht gefunden.

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