
Stefan Heym als Sergeant der US-Armee. Foto: Nachlass Stefan Heym
Im Juni 1944, wenige Tage nach dem D-Day, landeten in der Normandie mehrere amerikanische Spezialeinheiten für „psychologische Kriegsführung“. In ihren Reihen wirkten zahlreiche Intellektuelle aus Deutschland, die wegen der Judenverfolgung unter den Nationalsozialisten ihre Heimat hatten verlassen müssen und in die USA emigriert waren. Ihre schärfste Waffe war das gesprochene und das geschriebene Wort in der ihnen bestens vertrauten Sprache des Gegners. In Flugblättern, Lautsprecherdurchsagen, Feldzeitungen und Radioshows wandten sie sich an die deutschen Soldaten und die deutsche Zivilbevölkerung. Ihre wichtigste Botschaft: Der Krieg ist verloren, die Übermacht der Alliierten nicht zu bezwingen, die Niederlage von Hitlers Wehrmacht nur noch eine Frage der Zeit.
Einer der Redakteure, die in der 2nd Mobile Broadcasting Company ihren Dienst versahen, war der damals 31-jährige Sergeant Stefan Heym. Kurz nach Erscheinen seines ersten, auf Englisch verfassten Romans Hostages, der ihn in den USA auf Anhieb bekannt gemacht hatte, war er zum Dienst in der U.S. Army einberufen worden. Über Elsass-Lothringen und Luxemburg gelangte er mit dem Vorrücken der amerikanischen Truppen 1944/45 erstmals wieder nach Deutschland – zwölf Jahre nach seiner Flucht vor den Nazis. In dieser Zeit entstand eine Vielzahl von Manuskripten für Radiosendungen, die von Luxemburg aus bis weit hinein nach Deutschland ausgestrahlt wurden. Heym veröffentlichte die Arbeiten Jahrzehnte später in dem Sammelband Reden an den Feind.
Zurückgekehrt in die USA, verarbeitete Stefan Heym seine Erlebnisse und Erfahrungen in seinem Weltkriegsroman The Crusaders (dt. Kreuzfahrer von heute / Der bittere Lorbeer), der ihn international bekannt machen sollte. Auch in bemerkenswert vielen seiner späteren Romane finden sich Bezüge zu seiner Zeit in der US-Armee, bis ins Spätwerk hinein. Sein aktives Mitwirken an der Befreiung Europas von der Herrschaft des Nationalsozialismus brachte Heym in Ost und West viel Respekt und Anerkennung ein und machte ihn zu einem gefragten Zeitzeugen.
Lese-Tipp: Stefan Heym: Reden an den Feind. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 2016. ISBN: 978-3-596-30972-6. Leseprobe hier.
Veranstaltung: Kommentierte Lesung „Stefan Heym: Reden an den Feind“. Mittwoch, 18. September 2019, 19 Uhr, Bürgerhaus „All in“, Rosenhof 14, 09111 Chemnitz. Eintritt frei.